In einer Zeit, in der Tablets und Smartphones gar nicht mehr aus Schule und Freizeit wegzudenken sind, sind wir häufig mit der Aussage konfrontiert, dass das papiersymbolbasierte Picture Exchange Communication System PECS® nicht mehr zeitgemäß ist. Diese Behauptung ignoriert die bedeutenden und positiven Kommunikationsergebnisse, die Personen jeden Alters auf der ganzen Welt durch das Protokoll erfahren haben. Sie missachtet die über 190 Forschungsartikel, die bis heute die Wirksamkeit von PECS nachweisen.
Ganz zu schweigen davon, dass über 25 000 Teilnehmer weltweit jedes Jahr begeistertes Feedback über die PECS Schulungen geben, da es hierbei eben nicht nur um ein Stück Papier im Kommunikationsaustausch geht. Das war es nämlich, was ich dachte, bevor ich 2009 mein erstes PECS Training absolvierte.
Warum brauche ich PECS?
Ich bin Logopädin aus Leidenschaft – wie wahrscheinlich die meisten in diesem Berufsfeld. Auf den Beruf aufmerksam wurde ich, als ich mich als AuPair um einen Jungen mit Zerebralparese kümmerte. Alex hatte keine erfolgreiche Form der Kommunikation. Ich dachte, es müsste doch großartig sein, Kindern wie ihm eine Möglichkeit zu vermitteln, mit anderen zu kommunizieren, wo ich doch selbst so gerne redete. Ein paar Jahre, eine Ausbildung zur Logopädin und ein Studium in Speech Language Pathology in den USA später, fand ich mich also in einer Rehabilitationseinrichtung wieder, in der viele meiner Patienten schwer betroffen und auf Unterstützte Kommunikation angewiesen waren. Staatliche Fördermittel erlaubten es mir, diese Kinder mit Sprachausgabegeräten zu versorgen. Leider blieb der erhoffte Erfolg weiterhin aus. Die Geräte waren komplex zu programmieren – zu schwierig für viele Eltern. Sie waren reich an Vokabular, aber immer wieder hatte ich Zweifel, ob mein Patient überhaupt wusste, was er dort drückte. Oder er drückte gar nicht und zeigte -anstatt sein Gerät bei Kommunikationsschwierigkeiten zu nutzen- unangemessenes Verhalten. Ich war immer noch motiviert, aber zugegebenerweise ratlos.
In meinem Studium hatte ich im Rahmen meines Autismus-Seminares das Picture Exchange Communication System grob kennengelernt. Als sich hierfür die Gelegenheit einer Fortbildung ergab, nahm ich daran teil. Ich kann ehrlich sagen, dass sich hiermit mein Berufsleben gravierend verändert hat. Das PECS System gab mir nicht nur das Wissen über das Bildaustauschsystem selbst, sondern auch die Struktur, die ich brauchte, um meine Patienten mit Sprachausgabegeräten erfolgreich zu versorgen. Die Struktur des Picture Exchange Communication System habe ich seither für Patienten mit verschiedenen Störungsbildern und Kommunikationsmodalitäten angewandt: Bilder, Talker, Eyegaze-Geräte, Gebärden. Ich war so begeistert von der vielseitigen Anwendbarkeit, dass ich mich 2011 selbst zum PECS Trainer ausbilden ließ.
PECS lehrt nur Anfragen
Kritiker von PECS sagen oft, dass “PECS nur Anfragen lehrt”. Diese Unwahrheit deutet im Allgemeinen darauf hin, dass der Pessimist noch nie an einer Schulung teilgenommen oder das PECS-Trainingshandbuch gelesen hat. Ja, wir beginnen damit, unseren Lernenden beizubringen, über Dinge zu kommunizieren, die für sie wichtig sind. Wir bringen ihnen die Fähigkeit zum Anfragen bei. Es gibt jedoch eine ganze Phase, Phase VI, die dem Unterrichten von Kommentieren gewidmet ist. Es werden auch Empfehlungen für fortgeschrittenen Sprachunterricht gegeben.
PECS ist (K)EIN Wunschkonzert!
Aber nur weil eine Person PECS verwendet, bedeutet dies nicht , dass alles immer genau in dem Moment verfügbar sind, in dem es angefragt wird. Es ist wichtige jemandem beizubringen, dass es notwendig sein kann, auf einen Gegenstand zu warten und/oder zu akzeptieren, wenn etwas nicht verfügbar ist. Wir planen diese Fähigkeiten in ähnlicher Weise, wie Eltern allen Kindern die Lektion des “Nein” beibringen.
Immer diese Handführung!
Wie sieht es schließlich mit dem Einsatz von Prompts aus? Um diese Frage zu beantworten, sollten wir uns zunächst überlegen, wann Prompts gegeben werden. Beim Unterrichten von Kommunikation muss es immer darum gehen, den Lernenden zu helfen, ihre Botschaft zu vermitteln! … NIE darum, sie zu zwingen, uns etwas zu sagen, was sie nicht sagen wollen. Deshalb helfen wir unseren Lernenden nur dann, eine Nachricht auszutauschen, wenn sie klar zu erkennen geben, dass sie in der Interaktion den Anfang gemacht haben. Dann wird jede Hilfe, die gegeben wird, schnell beseitigt. Auf diese Weise können physische Prompts genutzt werden, um einen fröhlichen und erfolgreichen Unterricht zu gestalten und gleichzeitig die Autonomie des Einzelnen zu respektieren.
Ist PECS die einzige Option?
Ist PECS die einzige Option? Sicherlich nicht. Ich werde jedoch weiterhin PECS verwenden, weil es Lernenden aller Fähigkeitsstufen Kommunikation zu ermöglichen. Es ist auch das einzige manualisierte Protokoll auf dem Markt, dasFähigkeiten von der Initiation bis hin zu fortgeschrittenen Sprachfertigkeiten vermittelt. Dasselbe Protokoll wird aktiv und erfolgreich eingesetzt, um Lernenden die Verwendung von Talker-Geräten beizubringen. Und man kann nicht mit der Fülle an Literatur argumentieren, die die Wirksamkeit bei der Vermittlung funktionaler Kommunikationsfähigkeiten unterstützt. Ganz zu schweigen von der Steigerung der Anzahl gesprochener Wörter und der Verringerung herausfordernder Verhaltensweisen.
Warum ich also weiterhin PECS nutze?
Ich durfte die Freude in den Augen eines Kindes sehen, wenn es seinen ersten selbständigen Austausch in Phase I macht. Die Begeisterung von Betreuern, wenn ihr Schüler sie aufsucht, um eine Nachricht auszutauschen. Und das allererste Wort, das beim Austausch eines Bildes gesagt wird, nach 24 Jahren Stille! Für mich bedeutet das: ich werde weiterhin PECS verwenden. Die einzige Frage ist: Warum verwenden Sie PECS NICHT?
Mareike Greiler, M.Sc. , Logopädin/ SLP