Wenn Sie schon mal eine Fortbildung von Pyramid Educational Consultants besucht haben, ist Ihnen vielleicht der Begriff ‚Entscheidende Kommunikationsfertigkeiten‘ aufgefallen. Vielleicht haben Sie sich gefragt, warum dieser Bereich der Kommunikation so genannt wird und was es damit auf sich hat.
Wenn Sie Dr. Andy Bondy und Lori Frost, Co-Entwickler des Picture Exchange Communication Systems (PECS®) fragen, wird die Antwort höchstwahrscheinlich lauten: ‚Weil das Beherrschen dieser Kommunikationsfertigkeiten einen entscheidenden Unterschied im Leben Ihres Lernenden mit Autismus machen wird und wir ohne sie herausforderndes Verhalten sehen werden.’
Was gehört zu den Entscheidenden Kommunikationsfertigkeiten?
Es gibt zwei große Bereiche, wenn es um Sprache geht: zum einen, was wir in der Lage sind mitzuteilen – wir nennen das auch expressive Fertigkeiten. Zum anderen, was wir in der Lage sind zu verstehen – die rezeptiven Fertigkeiten.
In diese zwei großen Bereiche fallen ein paar Fertigkeiten der Kommunikation, deren Beherrschung einen entscheidenden Unterschied in der Selbständigkeit unserer Lernenden mit Autismus und verwandten Entwicklungsstörungen machen werden. Sie haben zudem häufig einen gravierenden Einfluss auf mögliches herausforderndes Verhalten und können das Bewältigen des Tagesablaufes eines Schülers mit Förderbedarf sehr erleichtern. Nicht zuletzt sind sie wichtig, wenn er später möglicherweise erfolgreich die Anforderungen eines Berufes meistern möchte.
Was soll mein Schüler also mitteilen können?
Zunächst einmal ist es oft von größter Wichtigkeit für Schüler mit Autismus oder verwandten Entwicklungsstörungen, ihre Bedürfnisse befriedigen zu können (das gilt für uns genauso). Das bedeutet, sie müssen in der Lage sein, nach Dingen zu fragen, die sie haben möchten. Es ist hierbei gleichgültig, welche Form der Kommunikation sie nutzen um das Ganze mitteilen: mit Sprache, mit Gebärden, indem sie auf ein Bild deuten, ein Bild austauschen oder eine Symboltaste betätigen. Wichtig ist lediglich, dass sie ihre Wünsche mitteilen, wenn sie auftreten – Nicht erst, wenn sie danach gefragt werden.
Stellen Sie sich vor, Sie haben starke Kopfschmerzen. Dieser Zustand ist von außen nicht immer wahrnehmbar. Wenn Sie nun also darauf warten müssten, dass Sie gefragt oder aufgefordert werden, etwas zu sagen, würde das wahrscheinlich erheblichen Einfluss auf Ihre Laune haben.
Hilfe – wie geht’s dann weiter?
Es kommt uns oft gar nicht in den Sinn, dass die Fertigkeit, nach Hilfe zu fragen extra beigebracht werden muss. Oft sehen wir unsere Lernenden straucheln und bieten automatisch unsere Hilfe an. Das ist aber nicht dasselbe wie die Fähigkeit, sich mit einem Problem an jemand anderen zu wenden, wenn es auftritt. Da es Menschen mit Autismus oft schwerfällt, sich vorzustellen, dass jemand anderer eine Aufgabe erledigen kann, die sie selbst nicht schaffen, ist ‚nach Hilfe fragen‘ eine entscheidende Kommunikationsfertigkeit, die Frustration verhindern und Interaktion fördern kann.
Ebenso wichtig für die Selbständigkeit ist es, dass ich anderen mitteile, dass ich eine Pause brauche, bevor ihnen mein Verhalten einen deutlichen Hinweis darauf gibt. Wer kennt das nicht, von sich selbst: Der Moment, in dem seine eigene Zündschnur schließlich abgebrannt ist und die unvermeidliche Explosion folgt. Eine Person aus einem Wutanfall zurückzubringen, kostet sehr viel mehr Zeit, als einer kurzen Verschnaufpause zuzustimmen und kann Ihrem Schüler den Schul- und Arbeitsalltag sehr erleichtern.
Was ich noch sagen wollte…
Letztendlich fehlt nur noch die Möglichkeit, mit ja oder nein auf eine Frage zu antworten. Aber nicht irgendeine Frage, sondern Fragen nach Wünschen. Diese Antwort ist sehr mächtig und einfacher zu beherrschen als die zahlreichen komplexen ja/nein Möglichkeiten, die Unterhaltungen möglich machen. Ein entschiedenes Nein oder ein deutliches Kopfschütteln, wenn ich gefragt werde, ob ich den Brokkoli möchte, ist ein großer Schritt in Richtung Selbständigkeit. Ebenso wichtig ist es, mit einem Kopfnicken zustimmen zu können, wenn einem etwas Schönes angeboten wird.
Kommunikation verstehen
Um wirklich selbständig zu sein, gibt es bestimmte Dinge, die unsere Lernenden verstehen bzw. auf die sie angemessen reagieren müssen. Das hat manchmal schon mit persönlicher Sicherheit zu tun. Ich möchte, dass mein Schüler mündlichen oder bildlichen Anweisungen folgen kann, wenn ich ihn an einer Kreuzung zum Stehenbleiben auffordere. Und um aktiv am Klassengeschehen teilnehmen zu können oder erfolgreich zu arbeiten, ist diese Kommunikationsfertigkeit ebenfalls entscheidend.
Und wussten Sie, dass Zeit und die zeitliche Planung für Menschen aus dem Autistischen Spektrum eine große Herausforderung sein kann? Es ist daher nicht verwunderlich, dass Konzepte wie ‚warten‘ und Abläufe zu unangemessenem Verhalten führen. Wie lange muss gewartet werden? Was passiert als nächstes? Warum ist meine Lieblingsbeschäftigung jetzt vorbei und wann kommt sie wieder?
Wartesituationen zu tolerieren, mit Wechsel und Übergängen klarzukommen und selbständig einen Zeitplan zu befolgen, sind äußerst hilfreiche Fertigkeiten für unsere Lernenden. Diese rezeptiven Kenntnisse zu erwerben kann durch Bilder unterstützt werden.
Soweit alles klar?
Vielleicht haben Sie jetzt festgestellt, dass diese Information nicht neu für Sie ist. Vielleicht hängt bei Ihnen auch bereits ein Zeitplaner an der Wand – direkt neben Ihrem eigenen Kalender. Großartig! Dann heißt es jetzt nur noch, einen Schritt zurücktreten und zu überprüfen, ob Ihr Lernender diese Fertigkeiten auch selbständig anwendet.
Wenn Sie sich nicht ganz sicher sind, wie Sie diesen Wechseln in die Selbständigkeit beibringen können, warten Sie nicht und fragen Sie nach Hilfe! Gerne geben wir ihnen ein bis zwei Anweisungen, wie Sie mit einem guten Plan den Wechsel in die Selbständigkeit bei Ihrem Lernenden fördern und sich selbst eine Pause gönnen können!