Darf man zu seinem GE-Schüler Nein sagen?

Ein häufiges Missverständnis, dem wir begegnen, ist die Annahme, dass man seinem GE-Schüler bei einer Anfrage nicht Nein sagen darf. In diesem Blog-Artikel erklärt unsere Kollegin Jaime Wedel , woher dieser Mythos kommt und wie man sehr wohl Nein sagen kann zu seinem Schüler mit besonderen Bedürfnissen:

Ich LIEBE es, dass eine der am häufigsten gestellten Fragen lautet: “Was mache ich, wenn mein GE-Schüler zu gut darin ist, PECS (oder Sprache, ein Sprachausgabegerät (Talker) oder Gebärdensprache) zu verwenden, und Wünsche äußert, die ich als Lehrer oder Betreuer nicht erfüllen kann?” Wenn Du dieses Problem hast, GRATULATION! Was für ein großartiger Indikator für den Erfolg einer Person beim Erlernen funktionaler Kommunikation! In diesem Blogartikel werden spezifische Strategien vorgestellt, wie man “Nein” sagen kann. Gleichzeitig wollen wir unseren Lernenden beibringen, damit klar zu kommen, wenn Gegenstände oder Aktivitäten nicht verfügbar sind.

Zunächst einmal vorweg

wuetendes Kind mit tabletWenn wir mit dem Erlernen von Kommunikationsfähigkeiten beginnen, ist es wichtig, daran zu denken, dass wir alle oder so viele Bitten wie möglich verstärken, um uns als “Quelle guter Dinge” zu etablieren. In Phase I von PECS zum Beispiel planen wir Gelegenheiten zur funktionalen Kommunikation, also sollten wir logischerweise in der Lage sein, alle Bitten zu erfüllen. Wenn wir unseren GE-Schülern und Schülerinnen das geben, worum sie bitten, denken wir an die Analogie der Einzahlungen in einer Bank. Wenn wir nicht in der Lage sind, Anfragen zu erfüllen, oder zu lange zögern, heben wir allerdings Geld ab. Wir sollten aber darauf achten, dass bei unseren Schülern unser Kontostand immer im “Plus” ist!

In Phase II von PECS und darüber hinaus nutzen wir den ganzen Tag über unstrukturierte Gelegenheiten. Es kommt also vor, dass ein gewünschter Gegenstand möglicherweise nicht zur Verfügung steht. Im Allgemeinen empfehlen wir jedoch auch in Phase II, ein einzelnes Bild eines wahrscheinlich gewünschten Gegenstandes in dieser Umgebung auf dem Kommunikationsbuchs zu hinterlassen. Wir sollten auch so flexibel wie möglich sein, wenn sie nach einem Austausch etwas anderes wollen als das, was abgebildet ist. Denk daran, dass die PECS-Lernenden in Phase II nicht unbedingt wissen, was die Bilder darstellen. Daher solltest du wenn möglich die Kommunikation einfach honorieren. Nach Phase IIIB wissen unsere Lernenden, wie sie mit verschiedenen Bildern auf verschiedene Gegenstände zugreifen können. Auch wenn wir z.B. einem GE-Schüler die Möglichkeit geben, mit den Bildern auf dem Einband des Kommunikationsbuchs nach Malutensilien zu fragen, kann es sein, dass der Schüler in sein Kommunikationsbuch geht und ein Bild von einem Tablet austauscht! Da wir viele erfolgreiche Übereinstimmungscheck™ hatten, wissen wir, dass unser GE-Schüler wirklich mit dem Tablet spielen will, nicht malen!

Erinnere dich auch hier an die Bank. Wenn dies eines der ersten Male ist, dass Dein Lernender dies tut, wäre es absolut ideal, wenn ein Tablet schnell gegeben werden könnte. Manchmal ist das aber nicht möglich. Oder Dein Lernender hat es eindeutig gemeistert, in verschiedenen Umgebungen und mit verschiedenen Kommunikationspartnern nach sehr bevorzugten Dingen zu fragen. Dann kannst Du jetzt die Auswahl einschränken, so dass wir in die Lage kommen, “Nein” sagen zu müssen.

WIE SAGE ICH NEIN?

nein SagenNutze die vorhandenen Anhaltspunkte – ein Getränk ist leer, ein Snack ist weg, eine Batterie ist leer, ein Spielzeug ist kaputt oder verloren gegangen, die Fernbedienung funktioniert nicht oder ähnliches. Wir sollten nicht zögern, bei Bedarf einen Cue zu setzen! Ich gebe meinem GE-Schüler zum Beispiel nur so viel von einem Snack in einer Schüssel oder auf einem Teller, wie er vernünftigerweise essen kann. Wenn er nach mehr Snacks fragt, zeige ich ihm, dass alles weg ist! Er braucht nicht zu wissen, dass im Schrank noch mehr von demselben Snack versteckt ist. Wir können Batterien entfernen, ein Spielzeug “ausschalten” (wenn der Lernende den Schalter nicht kennt), Passcodes ändern und ähnliche Cues geben.

Ändert den Fokus auf das, was verfügbar ist. Im obigen Beispiel könnte ich, wenn mein GE-Schüler mich um ein Tablet bittet, das ich ihm im Kunstunterricht nicht geben kann, auf dem Einband des Kommunikationsbuchs Bilder von Dingen anbringen, die ich ihm geben könnte, wenn er mich darum bittet, z. B. Farbe, Knete oder vielleicht sogar Seifenblasen!

Kritische Kommunikationsfähigkeiten anwenden

Wenn wir “Nein” sagen, meinen wir oft eigentlich “Warte”. Es kann sein, dass mein GE-Schüler die Schaukel jetzt nicht benutzen kann, weil ein anderer Schüler sie gerade benutzt, aber wenn er wartet, bis er an der Reihe ist, kann er die Schaukel durchaus benutzen. Wir sind der Meinung, dass alle GE-Schüler in einer strukturierten Lektion lernen sollten, wie man wartet. Sobald der Schüler “warten” verstanden hat, müssen wir nur noch deutlicher kommunizieren, wann wir sagen: “Warte auf die Schaukel” oder “Keine Schaukel”.

Warte AppWenn der GE-Schüler selbstständig einen visuellen Zeitplan verwendet, können wir den Zeitplan als Lehrmittel einsetzen. Denke daran, dass wir nicht erwarten würden, dass ein Lernender Bilder wie “Turnhalle” vs. “Lesen und Schreiben” auf einem visuellen Zeitplan versteht, wenn er die Phase IIIB der Bildunterscheidung noch nicht beherrscht.  Wenn ein GE-Schüler beispielsweise während des Morgenkreises um ein Puzzle bittet, würde ich ihn zum Stundenplan führen und ihm zeigen: “Jetzt sind wir im Morgenkreis, aber als Nächstes sind wir im Freispiel und du kannst dir ein Puzzle aussuchen.”

Verwende ein visuelles Verstärkungssystem, wie z. B. “Ich arbeite für” oder “Für…Mach ich…” Karten. Jeder sollte wissen, wie man sich etwas verdienen kann; auf diese Weise motivieren wir die Menschen, am Unterricht und an den Aufgaben teilzunehmen. Wir müssen diese wichtige Fähigkeit lehren (siehe Seiten 291-298 des PECS-Trainingshandbuchs), aber sobald unsere GE-Schüler sie beherrschen, können wir manchmal zeigen, dass wir einer Bitte nachkommen können, wenn der Schüler einen “Deal” mit uns eingeht und eine bestimmte Menge an Arbeit erledigt.

Wirf einen Blick auf unseren 1-tägigen Online-Workshop ‘Die 9 wichtigsten Kommunikationsfertigkeiten in der UK’. Mit dieser Checkliste, die duZeitleiste Kommunikationsfertigkeiten kostenlos herunterladen kannst, kannst du die kritischen Kommunikationsfähigkeiten Deiner GE-Schüler beurteilen.

Zeige visuell an, dass etwas nicht verfügbar ist. Hilfreich sind dabei unsere universelle “Nein”-Seite und die universellen “Nein”-Symbole, um Symbole temporär als nicht verfügbar zu markieren.

WENN “Nein”-sagen mal nicht gut ankommt

Manchmal sind die oben genannten Strategien geradezu magisch, und eine oder mehrere von ihnen funktionieren sehr gut für einen Lernenden oder zumindest in den meisten Situationen. Natürlich kann es vorkommen, dass wir mit einem GE-Schüler konfrontiert werden, der einfach nur wütend darüber ist, dass ihm der Zugang zu etwas verweigert wird, das er haben möchte. Dieses Gefühl können wir alle verstehen! In diesen Fällen müssen wir darauf vorbereitet sein, dass wir es mit situativ unangemessenem Verhalten zu tun haben könnten, z.B. wenn der Lernende einen Gegenstand zerbricht. Vor allem bei älteren und/oder größeren GE-Schülern ist es wichtig, dass das Team im Voraus einen Reaktionsplan entwickelt hat, damit wir, wenn wir “Nein” gesagt haben, dies auch so meinen und alle in Sicherheit bringen können.

Was wir niemals tun würden, und was wir sogar als ethischen Verstoß ansehen, ist, Bilder von nicht verfügbaren Gegenständen aus einem Kommunikationsbuch zu entfernen. Wir werden nicht immer alles bekommen, was wir wollen. Aber wir haben doch alle das Recht, das zu verlangen, was wir wollen – in jeder Situation und zu jeder Zeit. Das kann schwierig sein, aber wir sehen es als Teil des Lernprozesses und als etwas, das alle Menschen durchmachen. Denke auch daran, dass viele situativ unangemessene Verhaltensweisen darauf zurückzuführen sind, dass der GE-Schüler nicht über die erforderlichen Kommunikationsfähigkeiten verfügt, um seine Bedürfnisse in angemessener Weise mitzuteilen. Wenn Bilder aus dem Kommunikationsbuch entfernt werden oder der Lernende nicht zu jeder Tageszeit Zugang zum Kommunikationsbuch hat, verlieren wir langfristig die wichtigste Verhaltensstrategie, die unseren GE-Schülern zur Verfügung steht, und wir werden letztendlich ein schlechteres Verhalten beobachten.

WER LUST AUF MEHR INFORMATIONEN HAT:

Wir besprechen dieses Thema bei jedem PECS Level I Training
Nehmen Sie an unserem kurzen, zweistündigen Workshop teil – Wie man Nein sagt und es überlebt! – Weitere Informationen zu Daten folgen im Herbst!
Unsere Berater können in kurzen Fernberatungen helfen
Kontaktieren Sie uns direkt per E-Mail: pecs-germany@pecs.com

Von Jaime Wedel, Pyramid Berater
© Pyramid Educational Consultants, 2022